Willkommen in der KZ Gedenkstätte Engerhafe

Erfahren Sie mehr über die Geschichte des KZ-Außenlagers Engerhafe, das 1944 mitten im Ort und Pfarrgarten entstand. Lernen Sie am historischen Ort, neben dem früheren Lagerareal, die Geschichte der Menschen kennen, die hier eingesperrt waren und erfahren Sie mehr über das Thema Zwangsarbeit in Ostfriesland. Kommen Sie uns als Schulklasse besuchen und erkunden Sie die NS-Geschichte an diesem außerschulischen Lernort.

Willkommen in der KZ Gedenkstätte Engerhafe

Erfahren Sie mehr über die Geschichte des KZ-Außenlagers Engerhafe, das 1944 mitten im Ort und Pfarrgarten entstand. Lernen Sie am historischen Ort, neben dem früheren Lagerareal, die Geschichte der Menschen kennen, die hier eingesperrt waren und erfahren Sie mehr über das Thema Zwangsarbeit in Ostfriesland. Kommen Sie uns als Schulklasse besuchen und erkunden Sie die NS-Geschichte an diesem außerschulischen Lernort.

Ein Eckpfeiler des Dritten Reiches war die massive Ausbeutung von Menschen zur Zwangsarbeit. Dazu zählten insbesondere zivile Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Im Deutschen Reich waren es 13,5 Mio. Menschen, so dass jede vierte Arbeitskraft in der deutschen Wirtschaft Zwangsarbeiter*in war. Zusammen mit den von Deutschland besetzten Gebieten mussten unvorstellbare 36 Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten und wurden zu Sklaven der deutschen Kriegsinteressen und eines rassistischen Herrschaftssystems gemacht. 

Ohne den Einsatz von Arbeitssklaven hätte das NS-Regime den Krieg ab 1942 nicht weiterführen können. In Rüstungsbetrieben und bei kriegswichtigen Infrastrukturprojekten stellten sie häufig die Mehrheit der Arbeitskräfte. So mussten ausgerechnet Zwangsarbeiter*innen helfen, einen Krieg zu verlängern, der ihre Heimat zerstörte und sie in Gefangenschaft gebracht hatte. Zudem hielten die Zwangsarbeiterinnen die Versorgung im Deutschen Reich aufrecht, da Mädchen und Frauen, insbesondere aus Osteuropa, massiv in der Landwirtschaft eingesetzt wurden.

Unzufriedenheit durch Mangel in der deutschen Bevölkerung, an der so genannten „Heimatfront“, wie es im Ersten Weltkrieg geschehen war, wollten die Nationalsozialisten durch eine durchgehende Bereitstellung von Lebensmitteln unbedingt vermeiden. Auch profitierten industrielle Betriebe von der Ausweitung der Produktion und durch Infrastrukturprojekte. Schließlich nutzte der Einsatz von Zwangsarbeiter*innen auch deutschen Beschäftigten, die durch die Unterschichtung entrechteter Arbeiter*innen in Vorarbeiter-Stellen aufstiegen.

Trotz dieser Allgegenwärtigkeit von Zwangsarbeit im Deutschen Reich waren Zwangsarbeitende nach 1945 eine lange Zeit vergessene Opfergruppe. Die deutsche Regierung und deutsche Unternehmen als direkte Profiteure der Zwangsarbeit lehnten Entschädigungszahlungen ab. Erst durch erfolgreiche Klagen kam es ab 1998 zu Entschädigungszahlungen. Und auch erst dann wurde das Thema Zwangsarbeit im Nationalsozialismus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Abtransport von Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion, Ukraine, Bahnhof Kowel, Mai 1942, Fotograf unbekannt. Quelle: Bild 183-R70662, Bundesarchiv

Zwangsarbeiter*innen in der Erinnerung

Die vom NS-Regime als „Fremdarbeiter“ bezeichneten zivilen Zwangsarbeiter*innen verschwanden 1945 aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, obwohl Millionen nach der Befreiung umherzogen, Hunderttausende weiter in Displaced Person Camps verharrten und manche sogar in Deutschland blieben. Die überall existierenden Lagerbaracken der Zwangsarbeitenden füllten sich nun mit Ostvertriebenen. Die vom NS-Regime propagierte „Volksgemeinschaft“ gehörte nun auch der Vergangenheit an. Ostvertriebene wurden häufig beschimpft und ausgegrenzt. Allen Deutschen gemein war nun nur mehr, dass sie sich gemeinsam als „Opfer“ des von Deutschland entfesselten Krieges fühlten. Ostvertriebene waren das erste billige Arbeitskräftereservoir, um das Land aufzubauen und das „Wirtschaftswunder“ anzustoßen. Jedoch bereits 1955 wurden die ersten ausländischen „Gastarbeiter“ für die Bundesrepublik Deutschland angeworben, z.T. aus denselben Ländern, die Nazi-Deutschland zuvor besetzt hatte. Häufig stellten dieselben deutschen Unternehmen nun „Gastarbeiter“ ein. Viele Verwaltungen und Arbeitsämter hatten noch Praxiserfahrungen im Umgang mit Zwangsarbeitenden und waren nun mit der Verwaltung der neuen Arbeitsmigrant*innen betreut. Trotz allem schien die Erinnerung an die Zwangsarbeiter*innen zu verblassen oder es wurde recht idyllisch erinnert: „Unsere Olga hat es doch gut gehabt“ – war eine beinahe feststehende Redewendung, mit der das Thema Zwangsarbeit in der familiären Erinnerung nach 1945 verklärt wurde. Die Leiderfahrungen der Zwangsarbeitenden wurde häufig ausgeblendet, die eigenen Verstrickungen und mögliche Vorteile durch das NS-System beiseitegeschoben. Hatte man den „Polen“ nicht am Familientisch essen lassen? War es nicht einfach notwendig gewesen, an sonst mangelnde Arbeitskräfte zu kommen? Hatte man dem Zug ausgezerrter Zwangsarbeitenden nicht etwa Essen zugesteckt, eine Zigarette geteilt oder nicht sogar gemeinsam unter Hitler gelitten?

Recherche-
datenbank

In dieser digitalen Karte können erstmals alle Lagerstandorte und Hintergrundinformationen online abgerufen werden. Biographien, Einführungstexte und zahlreiche Dokumente über die Zwangsarbeit auf der ostfriesischen Halbinsel laden zur Recherche ein und werden stetig erweitert.

Recherchedatenbank

In dieser digitalen Karte können erstmals alle Lagerstandorte und Hintergrundinformationen online abgerufen werden. Biographien, Einführungstexte und zahlreiche Dokumente über die Zwangsarbeit auf der ostfriesischen Halbinsel laden zur Recherche ein und werden stetig erweitert.

Kontrolle und Strafen

Die Erfahrungen der meisten Zwangsarbeitenden weichen von dieser beschönigenden Erinnerung in Deutschland stark ab. In ihren Schilderungen nehmen Unsicherheit, Angst, Demütigung, Gewalt und Hunger viel Raum ein. Die Menschen kamen aus kriegsversehrten und besetzten Gesellschaften und wurden durch die Arbeitspflicht in den allermeisten Fällen zu unfreier Arbeit nach Deutschland verschleppt. Sie hatten Heimweh, litten unter der Trennung von Freunden und Familie und den Herabsetzungen vor Ort. Zeitgenössische Quellen bezeugen Feindseligkeit und bisweilen offene Gewalttätigkeit der Deutschen gegenüber den Zwangsarbeitenden. Bauern und Beschäftigte wurden in schriftlichen Erlassen extra dazu angehalten, wohl weit verbreitete Gewaltanwendungen zu unterlassen. Prügelstrafen zu vollziehen sei die Aufgabe der Polizei. Die Zwangsarbeitenden dürften, so ein Erlass, nicht als „Ausbeutungsobjekte und dementsprechend nach freier Willkür behandelt werden, da hierdurch ihre Arbeitsleistung gemindert würde.“ Überwachung und Kontrolle durch das NS-System war für die Zwangsarbeiter*innen allgegenwärtig. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Gestapo, die ihrerseits auf polizeiliche Hilfsdienste durch Gendarmerie auf dem Land und Schutzpolizei in den Städten sowie Denunziationen aus der Bevölkerung setzen konnte. Zur Disziplinierung der Zwangsarbeiter*innen, zur Durchsetzung von diskriminierenden Verordnungen und um unerwünschte Kontakte zu Deutschen zu verhindern, wurde mit allen Mitteln gegen Zwangsarbeiter*innen vorgegangen. Maßnahmen waren dabei drastische Bußgelder, Prügelstrafen, die Einweisung in „Arbeitserziehungslager“ (der Gestapo unterstellt) oder Konzentrationslager bis hin zu öffentlichen Hinrichtungen zum Verbreiten von Angst und Terror.

Wer musste Zwangsarbeit leisten?

Der Begriff Zwangsarbeiter*in umfasst sehr unterschiedliche Gruppen und beschreibt äußerst verschiedene Verhältnisse, unter denen diese Menschen lebten und arbeiteten. Je nach eigenem Status als Zivil- und Zwangsarbeiter*in, als Kriegsgefangener oder gar KZ-Häftling, je nach Nationalität, Geschlecht, Alter, Dienstgrad, nach beruflicher Qualifikation aber auch nach Einsatzort, Zeitpunkt und Arbeitergeber variierten die Umstände sehr stark. Den Zwangsarbeiter*innen selbst waren diese Gefälle untereinander bewusst und sie verglichen ihre Situation.

Die Bandbreite ihrer Lebensbedingungen konnte stark variieren: Selten gab es ein Leben in relativer Freiheit mit Privatunterkunft, angemessener Entlohnung und akzeptabler Ernährung, vielleicht sogar mit freundschaftlichen Kontakten zu Deutschen, häufig jedoch extreme Ausbeutungsformen insbesondere von KZ-Häftlingen. Ein Überleben war dann nur schwer möglich und auch nicht gewollt. Die Nationalsozialisten sprachen von »Vernichtung durch Arbeit«.

Allen gemeinsam war, dass sie keinen oder kaum Einfluss auf Ort, Art, Dauer sowie Zweck ihres Arbeitsverhältnisses hatten. Geringste Verstöße oder willkürliche Bestimmungen der Deutschen konnte die Situation der Betroffenen schlagartig verändern. Zwangsarbeiter*innen standen außerhalb der nationalsozialistischen Betriebs- und Volksgemeinschaft und waren rechtlich, sozial, politisch und rassistisch Ausgegrenzte.

Zivilarbeiter*innen

Ausländische Arbeitskräfte wurden im nationalsozialistischen Deutschland als „Fremdarbeiter“ bezeichnet. Ca. 10% von ihnen hatten sich durch Anwerbung von deutschen Arbeitsbüros in den besetzten Ländern Europas „freiwillig“ für einen Arbeitseinsatz nach Deutschland verpflichtet, wobei diese Freiwilligkeit vor dem Hintergrund von Besatzung, Propaganda und Wirtschaftskrisen bewertet werden muss. Die meisten wurden durch Arbeitspflicht nach Deutschland verschleppt, nicht selten in Folge von Razzien und Verhaftungen direkt auf der Straße. Es war Zivilarbeiter*innen verboten ihren Arbeits- und Aufenthaltsort zu verlassen. Meistens waren sie in „Gemeinschaftslagern“ (verschiedene Nationalitäten) untergebracht. Unter den Zivilarbeiter*innen waren die Bedingungen für polnische Arbeitskräfte und sogenannte „Ostarbeiter“ (sowjetische zivile Arbeitskräfte) am schlechtesten. Insgesamt befanden sich 8,4 Millionen Männer, Frauen und selbst Kinder als Zivilarbeiter*innen in Deutschland.

Kriegsgefangene

Durch die Eroberungen der Wehrmacht gerieten Millionen ausländischer Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Sie wurden in ganz Deutschland zunächst in großen Stammlagern, dann kleinen Arbeitskommandos zum Arbeitseinsatz verteilt. Die Bewachung war Aufgabe der Wehrmacht. 4,6 Millionen Kriegsgefangene waren vor allem in der Landwirtschaft und entgegen den Bestimmungen des Genfer Kriegsgefangenenabkommens von 1929 auch in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Am schlechtesten wurden sowjetische Kriegsgefangene behandelt. Sie galten als „slawische Untermenschen“ und „jüdische Bolschewisten“. Von 5 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen starben 3 Millionen und erst die kriegsbedingte Notwendigkeit erhöhte ab 1942 ihre Überlebenschance bei einem Zwangsarbeitseinsatz in Deutschland.  

KZ-Häftlinge

Seit Gründung der nationalsozialistischen Konzentrationslager 1933 wurden Gefangene zur Arbeit eingesetzt, um sie zu demütigen und schädigen. Durch die Kriegsvorbereitung und spätestens mit Kriegsbeginn wurde der Einsatz aus wirtschaftlichen Erwägungen für deutsche Unternehmen und SS-Betriebe straffer organisiert. Mit fortlaufender Kriegsdauer wurden beinahe sämtliche KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit für die Kriegswirtschaft eingesetzt. In Rüstungsbetrieben, auf Baustellen und für kriegswichtige Infrastrukturprojekte arbeiteten etwa 1,7 Millionen Männer und Frauen aus ganz Europa unter den schlechtesten Bedingungen. Darunter befanden sich politische Häftlinge, als homosexuell, „asozial“ oder als „Berufsverbrecher“ Verfolgte, Jüdinnen und Juden und Zeugen Jehovas.

Strafgefangene

Insassen von Gefängnissen und Strafgefangenenlagern, die mit laufender Kriegsdauer verstärkt in der Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. Strafgefangene waren vorwiegend Männer und ihre Zahl wird auf 200 000 geschätzt.

Arbeitsjuden

Die Nationalsozialisten bezeichneten als „Arbeitsjuden“ alle Jüdinnen und Juden, die ab 1938 im deutschen Machtbereich verpflichtet waren, Zwangsarbeit zu leisten. Später bezogen sie sich damit auf alle Jüdinnen und Juden, die in Konzentrations- und Vernichtungslagern nicht direkt ermordet, sondern als Arbeitskräfte ausgebeutet wurden. Für „Arbeitsjuden“ richteten die Nationalsozialisten im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten besondere Arbeitslager ein. 

Sinti*zze und Rom*nja

Die in den 1930er Jahren begonnene Verfolgung und Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja verschärfte sich mit Kriegsbeginn 1939 weiter. Sie wurden in gesonderten Lagern untergebracht und zur Zwangsarbeit verpflichtet.  

KZ Dachau, Häftlinge unter Aufsicht bei der Zwangsarbeit, 20. Juli 1938, Fotograf unbekannt. Quelle: Bild 152-26-20, Bundesarchiv

Zwangsaushebungen von Arbeitskräften in der Ukraine: Antonina Sidelnik schreibt am 13. Oktober 1942 einen Brief aus der Westukraine an ihre Schwester Raissa, die in Tannenhausen bei Aurich im Marinearsenal Munition für die Rüstungsindustrie fertigt. Antonina schildert, wie es zur Hetzjagd auf Menschen kommt, da sich nicht genügend „freiwillig“ bei den deutschen Arbeitsämtern melden. Der Brief wird von der Zensur abgefangen und ins Deutsche übersetzt. Textpassagen des Briefes wurden 2023 von JCL-Film und der KZ-Gedenkstätte Engerhafe als Animationsfilm umgesetzt.