Frühe Jahre und Kriegsbeginn
Geert bij de Leij wird 1921 in dem Dorf Stiens, in der Provinz Friesland in den Niederlanden geboren. Als die Wehrmacht im Mai 1940 die Niederlande besetzt, ist er 19 Jahre alt. Er arbeitet als Büroangestellter bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft Nederlandse Spoorwegen.

Geert bij de Leij, 1945.
Quelle: http://www.fryslan4045.nl/

Eine Erinnerungsplakette an den Eisenbahnerstreik von September 1944 bis Mai 1945, Theo van Vliet.
Quelle: Beeldbank WO2 – NIOD
Verhaftung
Im September 1944 beginnt gleichzeitig mit einer Luftlandung der Alliierten in Arnheim ein Eisenbahnstreik im ganzen Land, um die deutschen Truppentransporte zu blockieren. 30 000 Angestellte beteiligen sich bis Ende des Krieges an dem Streik.
Auch Geert bij de Leij ist dabei. Er taucht unter, wird aber am 11. Januar 1945 von der Gestapo verhaftet. Seine Mutter, sein Bruder und seine Verlobte Maartje besuchen ihn noch in seiner Arrestzelle.
Im Lager in Wilhelmshaven
Gemeinsam mit anderen niederländischen Polizeihäftlingen wird er am 16. Januar 1945 zur Zwangsarbeit in ein Strafgefangenenlager der Organisation Todt nach Wilhelmshaven gebracht. Dort beginnt Geert heimlich ein Tagebuch zu schreiben:
„Also befand ich mich auf dem Transport, genau ein Jahr nach unserer Verlobung. Kurz vor der Abreise erhielt ich noch einen Brief von Maartje, den ich jeden Tag wieder lese, so dass ich ihn schon fast auswendig kenne. Ich weiß, dass wir beide einander treu bleiben werden, und das tröstet mich sehr.“

Tagebuch von
Geert bij de Leij, 1945.
Quelle: Tresoar, Leeuwarden

Tagebuch von
Geert bij de Leij, 1945.
Quelle: Tresoar, Leeuwarden
Die Arbeit ist beschwerlich, es gibt kaum Essen und die hygienischen Zustände sind katastrophal. Er hat großes Heimweh und schreibt am Sonntag, dem 4. Februar 1945:
„Besonders am Sonntag, also heute, fühle ich mich niedergeschlagen. Wenn ich an sie denke, wie sie bei uns zu Hause gemütlich am Kaffeetisch sitzen und heute Nachmittag die allerbesten Kartoffeln mit Fleisch serviert bekommen, spüre ich, wie undankbar ich immer gewesen bin. Komme ich überhaupt wieder nach Hause? Ich weiß es nicht, aber ich glaube, dass ich es auf Dauer nicht durchhalten werde. Gestern ist bereits jemand gestorben. Das erste Opfer. Es werden sicherlich noch weitere folgen. Hier wird man hart. Allein wenn ich jetzt an zu Hause denke, an Mutter, Vater, Piet und die anderen und natürlich an Maartje und ihre Mutter, ihre Schwester und ihren Onkel, dann befällt mich ein Gefühl der Verzweiflung. Dann würde ich so gerne wieder mit ihnen zusammen sein (…).“
Die Gefangenen haben Angst davor, Opfer der ständigen Luftangriffe zu sein, da sie sich nicht in einem Bunker schützen können. Angst verbreiten auch einige Vorarbeiter, das beschreibt Geert bij de Leij am 27. Februar 1945:
„Der Vorarbeiter ist ein furchtbarer Mensch. Er schrie mich von oben an, als ich die Steine nicht anheben konnte, damit man das Seil unter ihnen durchziehen konnte. Als ich ihn nicht verstand, warf er mir einen großen Klumpen Schlamm an den Kopf. Meine Kleider waren völlig verdreckt. Zudem schlug er mich andauernd mit einer Messlatte. Ich stand in der Grube und weinte vor hilfloser Wut.“
Krankheit und Hunger
Geert erkrankt an Durchfall, hat Läuse und seine Situation wird immer schlechter. Er hat ständig Hunger:
„Es bleibt zu hoffen, dass dieser elende Krieg bald zu Ende ist, denn Hunger ist etwas, worüber man nicht schreiben kann.“
Im Lager in Brokzetel
Mitte März 1945 wird Geert bij de Leij in ein Gestapolager nach Brokzetel gebracht. Er und andere Häftlinge werden auf dem Fliegerhorst Wittmundhafen bei Ardorf eingesetzt, u.a. um Blindgänger zu entschärfen. Am 23. März 1945 schreibt er:
„Gestern kam ich nicht zum Schreiben. Ich ging zum ersten Mal wieder mit zur Arbeit, und der Flugplatz, auf dem wir arbeiteten, wurde bombardiert. Viele der Jungs entkamen nur knapp dem Tod. Die Bomben schlugen so nah bei ihnen ein, dass sie unter den Trümmern verschüttet wurden. Wieder mussten wir den ganzen Tag ohne Brot arbeiten, weil kein Brot gekommen war. Außerdem litt ich unter starken Magenschmerzen und musste mehrmals die Arbeit niederlegen. Ich konnte kaum laufen, aber als ich mich kurz hinsetzte, schlug mir ein Aufseher mit einem Gummiknüppel auf den Rücken. Was war das für ein langer Tag, trotz des schönen Wetters und der schönen Natur. Auch die Hoffnung ist dahin. Heute versteckte ich meine Lagerclogs, auf denen ich schon kaum noch laufen kann, und trat ohne Clogs an. Deswegen bin ich gerade im Lager. Mit meinen Bauchschmerzen ist es vorbei, und dafür bin ich dankbar. Ich habe immer noch keinen Hunger und sehe schlecht aus. Kein einziges Haar auf dem Kopf, keine heile Hose und dazu noch viel dünner als in Friesland, wo ich auch nicht dick war. Aber ich habe kein Asthma. Ich mache jetzt Schluss und denke einen Moment lang an Stiens (sein Heimatort). Bis später.“
Mitgefangene versuchen zu fliehen. Einer wird dabei erschossen. Am 4. April schreibt Geert bij de Leij:
„Man wagt fast nicht, an zu Hause zu denken. Hier auf dem Stroh liegend, wie Schweine nebeneinander, und überall krabbeln Läuse um dich herum. (…) Jan Vellinga (der erschossene Flüchtling) wurde gestern am Ort des Geschehens von zwei anderen aufgegriffen Flüchtlingen begraben, ohne Sarg und ohne jegliche Zeremonie. Getrampelt in die Erde wie ein totes Kaninchen.“
Befreiung und Leben nach dem Krieg
Anfang April 1945 werden die kranken Gefangenen, darunter Geert bij de Leij, verlegt:
„Beim Transport sahen wir unterwegs viele Flüchtlinge. Massen von Menschen, vor allem Frauen, mit Karren und Kinderwagen, beladen mit dem Nötigsten, ziehen durch die Straßen. In den Zügen befanden sich auch viele Flüchtlinge. Man hat uns verlegt, weil die Front näher kommt, heißt es.“
Die kranken Gefangenen werden zunächst zurück nach Wilhelmshaven, dann nach Emden gebracht und in einem Schiff des Roten Kreuzes nach Defzijl gefahren. Dort erlebt Geert die Schlacht um Delfzijl. Kurze Zeit später werden sie von den Alliierten in Nord-Groningen befreit. Geert bij de Leij hat überlebt.
Er kehrt zu seiner Verlobten Maartje zurück und sie heiraten im Jahre 1946. Bis zu seinem Tod im Jahre 1996 bleiben sie zusammen.

Hochzeit von Geert bij de Leij und Maartje Lettenga, 1946. Quelle: http://www.fryslan4045.nl/

Geert bij de Leij, undatiert.
Quelle: http://www.fryslan4045.nl/